Fachkräftemangel in der ITK-Branche
„Wir haben ein Umverteilungsproblem in der ITK-Branche.“
„Fachkräftemangel begreife ich als Chance“, sagt Thomas Klein, COO vom Systemintegrator Pan Dacom Networking AG. „Alles ist eine Frage der Perspektive.“ Da liegt er wahrscheinlich richtig. Die Aufgabe eines Systemintegrators von IT-Infrastrukturen ist es, unter Zuhilfenahme des Outtaskings seinen Kunden ITK-Dienstleitungen bereitzustellen und im Managed-Service-Modell zu hosten.
Die Ausgangslage in Sachen Fachkräfte scheint für dieses Geschäftsmodell rosig zu sein. Sammeln wir ein paar Fakten: Der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, Bitkom(1) hat im vergangenen Jahr (2023) 145.000 unbesetzte IT-Stellen gezählt.
Herr Klein, jeder schaut sorgenvoll auf diese Zahlen. Verweigern Sie sich der Realität?
"Nein, ganz und gar nicht. Natürlich leidet Deutschland unter einem Fachkräftemangel. Wenn ich aber unser Geschäftsmodell zugrunde lege, blicke ich für die ITK-Branche optimistisch in die Zukunft.“
Sie sprechen die Managed Services an?
„Genau, die Sorgen unserer Kunden appliziere ich gern auf alle Unternehmen in Deutschland: neue Technologien inklusive hoher Anforderungen an Security, Druck zur Digitalisierung und Budget-Cut bei der IT. So. Und wenn ich da nun den demografischen Wandel inklusive Fachkräftemangel addiere, steht hinter der Gleichung Managed Services.“
Ist dieses Modell nicht langsam in die Jahre gekommen?
„Gegenfrage: Was antworten Sie einem CIO, der klagt, dass er mit viel weniger Budget nun seine Hochleistungsanwendungen für Künstliche Intelligenz (KI) und neue Technologien nicht mehr in der Cloud, sondern wieder im eigenen Keller administrieren soll und der um die Personalsituation weiß?"
Haben wir also ein Umverteilungsproblem in Deutschland?
„Genau, das meine ich damit. Wenn die ITK-Expertinnen und -Experten nicht im eigenen Hause sind, dann wäre das Outtasking der Aufgaben eine probate Lösung. Und das bekommen wir immer hin.“
Aber herrschen nicht allzu viele Vorbehalte gegen Managed Services?
„Das ist leider wahr. Man kann jeden Tag neue Argumente gegen die Auslagerung finden: geringe Verfügbarkeit vor Ort, Abhängigkeit vom Dienstleister oder zu viele Einblicke in Interna, Industriespionage u. v. m. Ich wäre auch skeptisch, wäre ich nicht vom Fach, um ehrlich zu sein.“
Biegen wir an dieser Stelle mal ab
Der kategorische Imperativ der Zukunftstechnologien ruft derweil. Wer traut sich in den Unternehmen zu, Künstliche Intelligenz, Customer-Relationship-Management (CRM) - Systeme oder Price-Optimization-Lösungen verlässlich anzuwenden, die sich durch ein Unternehmen als Ganzes ziehen müssen? Mit Silodenken kommt man schon längst nicht mehr weiter, um agil zu bleiben in seinem Markt. Deutsche Traditionsunternehmen verfügen nicht über diese Expertise. Warum sollte ein Maschinenbauer oder Automobilzulieferer Kompetenz aufbauen in einem Feld, das für ihn neu ist? Da kommen massive Investitionen auf die Marktteilnehmenden zu.
Auch wenn Managed-Services-Modelle erst mal als Notlösungen erscheinen, können sie Gutes leisten. Vom hohen Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad der Provider partizipieren auch die, die Managed-Service-Provider nachfragen, beschreibt Ulrich Störk, Leader Managed Services bei PwC Deutschland. Auch PWC bewertet Managed Services als wertschöpfend für Unternehmen (3).
Blick in die Zukunft: 2040
2040 werden laut Bitkom sogar 663.000 IT-Fachleute fehlen. Und das aus einem ganz natürlichen Grund. In den IT-Berufen werden altersbedingt 32,5 Prozent wegfallen. Diese Ausgangslage bedeutet, dass die demographische Entwicklung die IT nach 2040 umso härter treffen werde (1). Und der Bedarf an IT-Fachkräften in der Wirtschaft steigt danach weiter rasant: auf rund 1,92 Millionen. Das sei eine Zunahme um fast 630.000 Personen. Die gute Nachricht lautet: aber erst in 15 Jahren.
Womit haben Mittelständler zu rechnen, wenn sie sich Managed Services wegen Fachkräftemangels
verschließen, Herr Klein?
„Die Hauptgefahr sehe ich bei den Digitalisierungsbestrebungen. Den Mittelständlern fehlt der Zugang zu Spezialwissen und adäquaten Technologien. Mittelfristig leiden Innovationskraft und Agilität am Markt.“
Fatal, denn der digitale Reifegrad hier ist deutlich zu verbessern. Erst im August 2023 hat die Bundesnetzagentur (2) eine Studie zum Status der Digitalisierung bei deutschen Mittelständlern veröffentlicht. Rund ein Drittel (44 Prozent) schränken die Datennutzung aufgrund von fehlenden Fachkräften/fehlendem Know-how ein und 58 Prozent gaben an, zu wenig Zeit zu haben. Das Potenzial von Digitalisierung stößt zusätzlich noch auf ein Bildungsvakuum bei den Firmen, das durch eigene Recherche (81 Prozent) oder im Austausch mit anderen (67 Prozent) ausgeglichen werden muss. (2)
Der Weiterbildungsbedarf in Sachen Digitalkompetenzen ist immens(3). Die deutsche Industrie- und Handelskammer hat bereits vor zwei Jahren bei befragten Unternehmen festgestellt, dass 65 Prozent die digitale Denkweise und 55 Prozent den Umgang mit digitalen Technologien erst einmal verinnerlichen müssten. Kompetenzaus und -aufbau sei in den Betrieben vonnöten, aber erst einmal seien die Grundlagen zu legen.
Was für eine Ausgangslage, Herr Klein. Was raten Sie Ihren Kunden, wenn diese sich zusätzlich noch um regulatorische Anforderungen kümmern müssen?
„Ich weiß, dass es einen immensen Nachholbedarf beim Datenschutz und der IT-Sicherheit gibt. Ich rate dazu, sich schnellstens den passenden Managed-Service-Provider zu suchen.“
… als Übergangslösung?
„Erst einmal egal, in welcher Konstellation. Mein Appell an alle lautet schlicht und ergreifend: Tun Sie was!“
Thomas Klein kennt natürlich die Umfragen und den Nährboden, auf den er mit diesem Rat stößt. Denn Geschäftsmodelle von Managed-Service-Providern können Firmen in Sachen Digitalisierung in der Tat um Jahre in kürzester Zeit nach vorne katapultieren. Die Hälfte der befragten Unternehmen (51 Prozent) können sich Managed Services als Übergangslösung vorstellen und 22 Prozent als langfristige Dauerlösung.(3)